Nervensaegen: Okay, das ist tatsächlich eine ganz andere Hausnummer. Damit erklärt sich für mich sowohl die Indizierung als auch die Verlängerung.
MarkoH01: Ja, wenn man so behämmert denkt wie die von der BpjM, dann würde so etwas irgendwas erklären. Wenn man aber einen gesunden Menschenverstand hat, der Realität und Fiktion auseinanderhalten kann, dann bleibt die Indizierung von vorne bis hinten weiterhin unnötiger bulshit meiner Meinung nach. Geschützt wird hier niemand und nach wie vor ist nachweislich kein Spiel und kein Film jemals alleine ursächlich für eine entsprechende Gewalttat gewesen.
kultpcgames: Wenn ich nicht irre ist THQ Nord der Rechteinhaber, vielleicht können die da noch etwas gegensteuern. Sofern das überhaupt von Interesse ist.
MarkoH01: Eigentlich nicht. Im Zeitalter des Internets ist jedwede Spieleindizierung doch eh problemlos zu umgehen ;)
Es geht aber gar nicht darum, ob man etwas umgehen kann. Man kann noch ganz andere Regeln und sogar Gesetze umgehen oder brechen. Die reine Tatsache, dass dies möglich ist, macht die Handlung nicht automatisch richtig. Man sollte nicht zwingend immer alles tun, nur weil man es kann.
Ich finde die Bezeichnung „BPjS“ heutzutage irreführend. Die Frage, ob man ein gesundes Kind von 16 Jahren durch Computerspiele
wirklich „gefährdet“, darf begründet als grober Unfug abgetan werden. Sicher: Es gibt auch Kinder, die nicht gesund sind. Mancher ist mit 26 nicht halb so erwachsen wie andere mit 16. Und freilich gibt es auch den großen 16-jährigen Bruder, der nach Erwerb eines Produktes frei ab 16 hinter dem Rücken der Eltern die 6-jährige Schwester versorgt. Geschenkt! Wenn es danach ginge, dürfte man wohl niemandem mehr irgendetwas erlauben.
Inhaltlich geht es weniger um Kinder, als um Erwachsene (denn die Kinder werden gar nicht gefragt) und einen gesellschaftlichen Vertrag, eine Übereinkunft, wie man sich als Gemeinschaft selbst definiert, was man mehrheitlich im Rahmen des Zeitgeschmacks als akzeptabel empfindet und was nicht. Das ist keine 1-0-Entscheidung, sondern ein ständiger Prozess, der zu wechselnden Ergebnissen führen kann. Was heute nicht akzeptabel ist, kann morgen ganz alltäglich sein. Und der Prozess kann nicht perfekt sein, denn Perfektion ist der Realität grundsätzlich fremd.
Ob wir einen solchen gesellschaftlichen Konsens brauchen, ist eine Frage, die man sich stellen kann. Allerdings gibt es eine Mehrheit, welche dies im Moment noch bejaht. Damit muss man nicht einer Meinung sein. Tatsächlich bin ich mehr als skeptisch, ob die Meinung einer Mehrheit überhaupt in irgendeiner Form relevant für das Leben Einzelner sein kann. Ich denke nicht, dass irgendjemand das Recht hat, sich in irgendein Leben einzumischen, außer in das eigene. Aber ich nehme zur Kenntnis, dass es einen politisch einflussreichen Teil der Bevölkerung gibt, welcher das tief empfundene Bedürfnis hat, eine gemeinschaftliche Identität zu schaffen. Zum Guten, wie auch zum Schlechten. Selbst wenn man argumentieren könnte, dass diese Mehrheit eigentlich nur das Bedürfnis hat, in ihrer Bubble nicht gestört zu werden.
Unterstützt wird die Entscheidung aber in diesem Fall von der Erkenntnis, dass eine Altersfreigabe ganz grundsätzlich durchaus sinnvoll ist. Darüber herrscht Konsens, auch wenn man sich über die konkrete Ausgestaltung streiten kann (und soll).
Grundsätzlich sollte man die Kirche aber im Dorf lassen. Keinem Kind wird etwas weggenommen, wenn es einem Hersteller nicht gestattet wird, vor Ort ein Spiel zu bewerben und an den Markt zu bringen, in welchem virtuelle, wehrlose Passanten mit einem Fahrzeug plattgewalzt werden. Es gibt schließlich zahllose Spiele, welche Kinder auf dem deutschen Markt nur schwer oder gar nicht bekommen, aus den unterschiedlichsten Gründen. Lizenzrechtliche Einschränkungen, regionale Beschränkungen, mangelnde Übersetzung oder Sprachkenntnisse, Publisher wollte nicht, DRM, you name it. Und auch Erwachsene bekommen nicht immer und überall, was sie wollen. Nicht als Menschen, und schon gar nicht als Konsumenten.
Hauptsächlich richtet sich die Kontrolle somit nicht gegen Kinder, sondern gegen die Hersteller. Sie werden sanktioniert, wenn sie sich nicht an Mindeststandards halten.
Die Frage, welche Standards wir für den Zugang zum Markt als Gesellschaft unterstützen wollen, kann nur im gesellschaftlichen Diskurs immer wieder neu verhandelt werden. Sie ist an die jeweilige Zeit anzupassen. Das reicht von Fragen wie Gentechnik im Essen, über Fracking und Atomkraft, bis zu Mindeststandards für Computerspiele und ist sehr differenziert zu betrachten.